„Stress hat nur derjenige, der sich stressen lässt“

Wir sprachen mit Schauspieler und Autor Samuel Koch und Professor Gerald Hüther über das Geheimnis der inneren Widerstandsfähigkeit, der Resilienz, und wie er im persönlichen Alltag mit Stress umgeht.

Sie sind beruflich sehr eingespannt, stehen oft vor Publikum. Wie gehen Sie mit stressigen Situationen um?

Ich sage immer gern: Stress hat nur derjenige, der sich stressen lässt. Aber selbstverständlich stehe ich auch unter Druck. Auf der Bühne kann ich nervös sein, sogar sehr nervös. Demnächst gestalte ich einen Soloabend vor einem Publikum mit 600 Gästen. Da lastet der Druck nicht mehr auf allen Schultern des Ensembles, sondern allein auf meinen. Das erhöht den Druck immens. Ich empfinde eine Verantwortung dem Zuschauer gegenüber, der extra die Vorstellung besucht. Dem möchte ich gerecht werden. Druck kann durchaus etwas Gutes bewirken. Wie bei der Zahnpasta, um eine einfache Metapher zu verwenden, kehrt sich dann Innere nach außen. Im Körper werden Hormone ausgeschüttet. Die Sinne erweitern sich. Das ist eine positive Art von Stress.

Verraten Sie uns Ihre Methoden, mit denen Sie Stress abbauen?

Wichtig ist in meinem Beruf, dass nicht das Zwerchfell und damit der gesamte Körper verkrampft. Als Schauspieler habe ich bestimmte, ritualisierte Atemtechniken und Sprechübungen. Das führt zum Beispiel zu einer ruhigen Atmung. Auf der mentalen Ebene schaue ich vorher das Publikum genau an. Ich nehme es bewusst wahr. Ich bin diesen Menschen dankbar für ihren Besuch und möchte ihnen gerecht werden. So entwickelt sich eine Atmosphäre des Gebens und Nehmens. Sinnbildlich versuche ich meine Wertschätzung dem Publikum, aber auch den am Programm beteiligten Kollegen gegenüber, durch meine Verbeugung entgegen zu bringen. Auch das kann eine gewisse Gelassenheit geben. Ich tue mich allerdings schwer, anderen allgemeine Tipps zu geben. Die können bei dem einen oder anderen eine völlig andere und teilweise sogar gegenteilige Wirkung erzielen.

Sie kennen schwere Rückschläge im Leben. Was gibt Ihnen Kraft?

Ich war zum wiederholten Mal in einem Kloster in Norddeutschland. Da geht es um Schweigen, Gebet, Kontemplation und darum, sich wieder ins Gleichgewicht zu setzen. Ich stelle dort alle Medieneinflüsse aus. Mir hilft sehr, hinaus in die Natur zu gehen. Dort nehme ich das Wundersame um mich herum wahr und entwickele dafür Dankbarkeit und Demut.

Für Ihr Buch „Steh-auf-Mensch!“ sind Sie mit dem Gehirnforscher Gerald Hüther der Resilienz auf die Spur gegangen. Was macht sie aus und kann man das Stark sein lernen?

Wenn ich die letzten sieben Jahre mit jährlich circa 100 Veranstaltungen zusammenrechne, komme ich auf rund 7.000 Menschen, mit denen ich mich über dieses Thema ausgetauscht habe. Da ich selbst viel von mir preisgegeben habe, liefen diese Gespräche nicht an der Oberfläche. Diskutiert habe ich darüber unter anderem beim Bildungsministerium, um Kinder und Schüler resilienter zu machen, in einer Justizvollzugsanstalt mit Insassen, aber auch Topmanagern, Mitarbeitern bei Bundeswehr und Sport sowie im Resilienz Zentrum Schweiz.

In diesem Diskurs haben sich einige Säulen herausgestellt, die auch für mein eigenes Leben prägend waren. Die Werte sind hier Dankbarkeit, Langmut, Sanftmut, Hoffnung, Verantwortlichkeit, Disziplin, Dienen, Kreativität, Endlichkeitsbewusstsein und Sinn. Teilweise sind sie sehr altmodisch und traditionell, zudem welche, auf die man proaktiv Einfluss nehmen kann.

Genauso ist Humor wichtig, über sich selbst und das eigene Ego zu lachen. Auch ich musste in bestimmten Lebenssituationen geduldig sein. In anderen ordnete ich meinen Selbstwert ein. Daher kann man diese Werte, ähnlich wie bei den Methoden gegen Stress, nicht für jeden Menschen und jede Situation verallgemeinern oder priorisieren. Außerdem hinterfrage ich sie natürlich.

Wenn Sie mit Eltern in einem Hospiz reden, deren Kind gerade stirbt, müssen Sie denen nicht mit Säulen der Resilienz kommen. Wenn ich denen etwas von Zielorientierung oder Netzwerken erzählen würde, käme mir das vor wie Hohn und Spott. Ein Freund von mir leidet unter der Nervenkrankheit ALS und wartet jeden Moment darauf, dass seine Atmung aussetzt. Er hat Glaube, Hoffnung und teilweise Liebe verloren.

Ich glaube, ein zentraler Faktor ist nicht zu Unrecht das Thema Sinn. Ich bin kein Anhänger von Friedrich Nietzsche. Aber an seinem bekannten Zitat „Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer“ ist etwas Wahres dran.