„Das Risiko fährt immer mit“

Wer die Skipisten dieser Welt schneller als der Wind heruntergerast und gleichzeitig Topplatzierungen im Wintersport erreicht hat, der muss der perfekte Gesprächspartner für Sicherheit auf schneebedeckten Hügeln sein. Wir reden mit Weltmeisterin und Dreifacholympiasiegerin Maria Höfl-Riesch über die Pflicht zum Helm, den Stemmbogen ohne Sturz und erfahren welche Tricks das Unterbewusstsein drauf hat.

Wie geht es Ihrem Ellenbogen? Sie waren übel gestürzt, allerdings nicht auf der Piste, sondern auf einem Boot am Gardasee. Bei Ihren Posts auf Instagram, live aus dem Krankenhaus, wird einem schon beim Zusehen ganz anders.

Ja, es war eine langwierige Verletzung. Aber es geht mir gut und der Unfall ist nun schon ein paar Monate her. Der Ellenbogen ist eine heikle Stelle. Ich spüre noch leichte Defizite auf dieser Seite.

Stichwort Sicherheit – stimmte die vor Ort nicht?

Es war nur ein dummer Unfall. Ich bin aus zwei Meter Höhe mit dem Kopf übel auf Beton gefallen. Es war rutschig und bei diesen wackeligen Booten kann einem eh viel passieren.

Manchmal bremst einen das Leben aus und schickt Stoppzeichen. Glauben Sie an so etwas?

Da ich drei Tage nach der Operation wieder auf dem Boot saß, glaube ich das nicht. Es lehrt mich eher, dass man im Leben achtsamer sein muss. Also mehr aufpassen und weniger schusselig sein.

Sie haben als Leistungssportlerin gravierende Verletzungen erlitten. In den Jahren 2004 bis 2006 warfen Sie zwei Kreuzbandrisse zurück. 2014 kam ein weiterer schwerer Unfall hinzu. Gingen Sie beim Sport nach solchen Ereignissen anders mit der Sicherheit um?

Leistungssport ist von Haus aus gefährlich. Wenn Sie mit 140 Stundenkilometern die Piste herunterfahren und um die 100stel Sekunde kämpfen, können Sie nicht sagen: Ich muss jetzt aufpassen. Es war eben zu dem Zeitpunkt meine Leidenschaft. So traurig es ist, das Risiko fährt immer mit. Man muss es einkalkulieren. Leider Gottes passieren Unfälle auf der Piste. Und im Profisport erst recht. Meine Verletzungen waren offensichtlich nicht schlimm genug, um für mich ein Hinweis zu sein, den Sport aufzugeben. Für jemanden, der nach einem Unfall fast gestorben wäre, sieht die Situation sicher noch mal anders aus.

Jeder verkraftet diese Vorfälle außerdem unterschiedlich. Ich habe eine Weile gebraucht. Es gab den körperlichen Leidensweg zurück. Und ich musste mich mental überwinden, wieder das Gehirn auszuschalten und an mein Limit zu gehen. Ich fühlte mich unsicher. Dann schaltet das Unterbewusstsein einen Gang zurück und die Angst vor der Verletzung ist größer als der Wille zum Sieg. Bei einem Wettkampf mit schlechter Sicht war ich danach plötzlich nicht mehr schnell genug.

Schützen sollen Bekleidung und Helme. Können die bei einem Unfall überhaupt vor Schaden bewahren?

Helm ist mittlerweile Standard. Gott sei Dank sehe ich nur wenige Leute, die privat ohne ihn durch die Gegend fahren. Im Sport gab es das zu meinen Anfangszeiten noch bei den Herren im Slalom und Riesenslalom. Aber die Helmpflicht im Wettbewerb ist absolut richtig. Sie ist auch der Weiterentwicklung geschuldet. Es gibt allein wegen der Präparierung der Pisten und neuer Materialien eine höhere Geschwindigkeit. So fahren selbst Amateure ohne entsprechende Technik enorm schnell, und schon passiert der nächste Crash. Helm ist da das Mindeste.

Das heißt, privat erwischt man Sie wirklich nie ohne?

Nein, höchstens für ein Fotoshooting. Ich bin aus den Zeiten der Rennen außerdem gewohnt, dass die Ohren darin an kalten Tagen viel wärmer sind als unter der Mütze

Am Lift hat der Helm den Vorteil, dass man Sie nicht erkennt und Sie nicht ständig Autogramme geben müssen.

Am Lift schon, da nehme ich die Brille ab. Viele, die wissen, wo ich lebe und fahre, erkennen mich. Aber nach fünf Jahren, in denen ich nicht mehr aktiv bin, freut mich dieser Wiedererkennungswert.

Wie verhält man sich am besten, wenn der nächste Rowdy heranrast?

Da ich mich als Profi nicht auf meine Technik konzentrieren muss, schaue ich regelmäßig im 180 Grad Winkel rechts und links, ob nicht einer gerade durch die Gegend schießt. Und ich sehe oft über die Schulter, also fast mit 360-Grad-Blick. So kommt mir keiner in die Quere. Wenn es zu voll ist, zum Beispiel an Feiertagen, fahre ich eher nicht. Lieber früh morgens als Erste. Es ist mir viel zu nervig, ewig am Lift anzustehen. Und durch zu viele Läufer verschlechtert sich der Zustand der Piste. Ich bin durch meine aktive Zeit verwöhnt, auf der präparierten Strecke allein durch die gesteckten Kurse zu düsen.

Der absolute Anfänger zittert vor seiner ersten Fahrt auf der Strecke – welchen Tipp geben Sie ihm?

Er sollte trainieren, Sicherheit zu spüren. Zum Beispiel einen Stemmbogen ohne Sturz hinkriegen. Am besten im flachen Gelände üben, am Lift in niederen Regionen. Wichtig sind Skier, die leicht und damit gut zu drehen sind. Im Fachgeschäft sollte er sich ehrlich als Anfänger zu erkennen geben. Wer es sich leisten kann, nimmt einen Skilehrer für die Grundtechnik.

Auf der Hütte wird gut gebechert und mit Alkohol im Blut fährt sich‘s noch leichter in Schlangenlinien. Ist Ihnen das schon mal passiert und was raten Sie?

Ich finde es unverantwortlich, so nach dem Après-Ski herunterzufahren. Wenn ich getrunken habe, steige ich nicht mehr auf Skier, genauso wenig wie in ein Auto. Man riskiert, sowohl andere als auch sich selbst zu verletzen. Ideal ist eine Hütte, bei der man in eine Gondel steigen kann, oder die weit unten liegt.

Sie sollen drei Jahre alt gewesen sein, als Sie zum ersten Mal auf den Brettern Ihrer Karriere standen. Ist dieser Wintersport für kleine Kinder nicht zu gefährlich?

Ich glaube, dass ich sogar zwei Jahre alt war. Wenn Kinder beim Üben mal hinfallen, sind die Hebel ihrer Kräfte wegen der Körpergröße kürzer und wirken nicht so gravierend wie bei Erwachsenen. Dennoch ist die Grundtechnik gerade bei ihnen umso wichtiger und man sollte sie Schritt für Schritt heranführen. Ich empfehle ein paar Kurstage im Skiurlaub. In diesen Tagen sind auch die Eltern entspannter. (lacht)

Es gibt nicht wenige, die es vor dunklen Wintermonaten gruselt und in warme Gefilde fliehen. Das ist bei Ihnen wahrscheinlich nicht so, oder?

Nein. Aber ich bin zurzeit zwei, drei Mal im Jahr weltweit auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Gerade bin ich zurück von der Tour Gran Canaria, Kapstadt, Mauritius. An Bord erteile ich Gästen Trainingskurse. Zusammen mit dem Erkunden neuer Orte in der Sonne macht das enorm Spaß. Als Leistungssportlerin hatte ich früher fast zehn Monate Winter pro Jahr, weil unser Training in kalten Regionen stattfand. Ich genieße jetzt, wieder alle vier Jahreszeiten zu leben.