Botschafterin der Atemlosen

Kristina Bach ist eine der erfolgreichsten Schlagersängerinnen und Songschreiberinnen Deutschlands – die seit ihrer Kindheit an Asthma leidet. Ein Gespräch mit der Musikerin über ratlose Eltern, ein Leben ohne Medikamente und krankheitsbedingte Megahits.

Sie leiden seit Ihrer Kindheit an allergischem Asthma. Können Sie die Entwicklung Ihrer Erkrankung schildern und wie Sie und Ihre Umgebung damit umgegangen sind?

Als ich fünf Jahre alt war, hatte ich mal einen schweren Unfall, weil ich mitten in ein Auto gerannt war. Ich lag mit schwerer Gehirnerschütterung drei Wochen im Krankenhaus und eine Bronchitis hat in dieser Zeit wahrscheinlich mein Asthma ausgelöst, für das ich eine erbliche Veranlagung habe.

Unmittelbar danach erlebte ich zu Hause meinen ersten Anfall. Meine Eltern reagierten ratlos. Sie rieten mir in den kommenden Jahren, ich solle nicht so viel herumtoben und mich nicht so aufregen. Der Hausarzt half uns nicht weiter. Das war noch eine Generation, in der Mediziner als Autoritäten nicht kritisch hinterfragt wurden und es kein Internet für Informationen gab.

In der Pubertät verschlimmerten sich meine Anfälle. Meine Mutter hörte irgendwann von einer Spezialklinik in Aprath. Sie musste mich dort mehr oder weniger hintragen, weil ich so erschöpft war. An der Rezeption wollte man uns erst abweisen, weil ich keine Privatpatientin war. Meine Mutter fragte empört: ‚Wollen sie mich wirklich mit dem Kind zurückschicken?‘. Glücklicherweise kam in dem Moment ein Arzt vorbei. Der hatte ein Einsehen und führte sofort Allergietests durch.

Wie war seine Diagnose?

Er stellte fest, dass ich unter anderem auf Gräser, Tierhaare und Hausstaub reagiere. Zu allem Überfluss waren meine Eltern mit mir früher im Urlaub auf einen österreichischen Bauernhof gefahren. Rückblickend war klar, warum ich gerade an diesem Ort mit seinen staubigen Tierställen und Säcken voller Gras die schwersten Anfälle erlitt. Nach den Tests wussten wir wenigstens, was mit mir los war.

Inzwischen leben Sie seit vielen Jahren mit Asthma. Wie gehen Sie heute damit um?

Jahrelang hatte ich ein Spray mit Kortison für die Langzeitbehandlung und eines für akute Fälle. Mit der Zeit lernte ich, darauf zu verzichten und wie ich mir ohne Medikamente helfen kann. Ich halte mich konsequent von Allergenen fern. Verrauchte Räume meide ich. Als professionelle Sängerin beherrsche ich Atemtechniken. Außerdem kenne ich bestimmte Punkte für Akupressur, die ich bei Kurzatmigkeit drücke. Ich wurde sozusagen Expertin im Management meines Asthmas. Bei einigen Betroffene, wie auch bei mir, klingt die Krankheit in zunehmendem Alter sogar etwas ab.

Einer Sängerin sollte nicht die Puste ausgehen. Hatten Sie als junge Frau keine Zweifel, ob Sie diesen Beruf mit einer solchen Atemwegserkrankung überhaupt ausüben können?

Nein. Sängerin wird man nicht. Sängerin ist man.

Sie sind seit vielen Jahren außerdem als Botschafterin des Deutschen Allergie- und Asthmabundes e.V. (DAAB) aktiv. Wie kam es dazu?

Der Verband war auf einen alten Presseartikel aufmerksam geworden. Als ich gerade meine erste Platte veröffentlicht hatte und noch völlig unbekannt war, fotografierte man mich bei einer Story, wie ich einen Inhalator im Mund habe. Dem DAAB gefiel, dass endlich mal ein Prominenter öffentlich zu dieser Erkrankung steht. Es gibt viele, die dieses Schicksal verschweigen, weil sie zum Beispiel befürchten, keine Werbeverträge mehr zu erhalten. Dabei gibt es sogar Olympiasportler, die als Asthmatiker Medaillen gewinnen.

Wofür setzen Sie sich beim DAAB ein?

Er ist einer der ältesten Patientenverbände in Deutschland. Hier bekommen Betroffene genau die Information und Aufklärung, die meinen Eltern und mir als Kind verwehrt waren. Ganz konkret zum Beispiel Adressen von versierten Fachärzten.

Die Erkrankung Asthma ist in der Öffentlichkeit nicht präsent wie andere Krankheiten. Das liegt schlicht daran, dass Sie einem Asthmatiker seine Erkrankung nicht ansehen. Medien können dazu nicht plakativ publizieren, Prominente aber helfen.

Ich finde wichtig, dass besonders Kinder mit Asthma in ihrer Entwicklung nicht verhätschelt werden. Gerade sie müssen viel Sport treiben und sich für ihre Gesundheit abhärten. Sie sind ganz und gar nicht schwächlich oder benachteiligt.

Was ist Ihre Botschaft an Menschen, die an Asthma erkrankt sind?

Diese Erkrankung ist nicht heilbar – aber sehr wohl zu managen. Wenn Euch die richtigen Experten entsprechend behandeln, zwingt Euch diese Krankheit nicht in die Knie. Asthmakranke haben wie alle anderen auf dieser Welt jede Möglichkeit, das zu werden, was sie wollen. Man gewinnt damit sogar sportliche Medaillen. Und ja, man kann damit Hits schreiben und eine bekannte und erfolgreiche Sängerin werden.

Aus Ihrer Feder stammt unter anderem der Megahit „Atemlos durch die Nacht“. Da war die chronische Lungenerkrankung aber keine Inspiration?

Natürlich. Nichts passiert durch Zufall. Wenn jemand als Asthmatiker mit häufiger Atemnot dafür prädestiniert war, diesen Song zu schreiben, dann ja wohl ich.