Kulturarbeit fördern

Interview mit Johnny Strange von Culcha Candela.

Was hat Sie dazu gebracht, sich sozial zu engagieren?

Mit 16 war ich das erste Mal in Uganda alleine auf eigene Faust unterwegs. Ich hatte 200 Euro Taschengeld für diesen Urlaub zusammengespart und war extrem verblüfft darüber, was sich mit diesem für unsere Verhältnisse überschaubaren Budget alles bewegen ließ; das war unglaublich. Ich fühlte mich wie ein Millionär, der so vielen Menschen ganz einfach Träume erfüllen konnte, ohne Gefahr zu laufen, selbst nicht genug zu haben, was einfach nur daran lag, dass ich aus einer anderen Welt komme. Dieses Potenzial, das sich erst entfalten lässt, wenn man Europa verlässt, macht sehr viel Spaß, wenn man es nutzt, und erfüllt einen mit sehr viel Freude, die für mich persönlich einen sehr großen Mehrwert bedeutet. Psychologen sagen ja, dass die Freude, die man empfindet, wenn man jemandem anderen etwas schenkt, bis zu achtmal so lange anhält wie die Freude, die man empfindet, wenn man selbst etwas geschenkt bekommt. Das kann ich auf jeden Fall bestätigen.

Wie nehmen Sie die Menschen wahr, denen Sie helfen? 

Die Menschen sind meist sehr dankbar und motiviert, ihre Dankbarkeit in dem Rahmen, der ihnen möglich ist auch kenntlich zu machen beziehungsweisen zu beweisen, dass sie die Hilfe, die ihnen gegeben wurde, auch so gut wie möglich nutzen werden. Es gibt natürlich auch Ausnahmen, aber die sind sehr selten.

Welche spannenden Menschen und Orte haben Sie während Ihres Engagements kennengelernt?

Ich habe unterschiedlichste Städte, Regionen, Projekte und Organisationen in Uganda, Senegal und unzähligen Orten innerhalb Deutschlands kennengelernt, die ich sonst nie gesehen hatte. Ich lernte Prominente, Politiker, Geschäftspartner und viele gute Freunde über die Projekte kennen. Das gelobte Vitamin B, das wichtig ist, um im Leben weiterzukommen, ist die beste Belohnung, die man für das Engagement bekommt, wenn man mit dem Herzen bei der Sache ist.

Soziales Engagement gibt es in verschiedenen Bereichen. Welches konnte noch die Aufmerksamkeit bekommen, die ihm bisher noch nicht zuteil wird?

Kulturelles Angebot wird in Deutschland immer weniger gefördert, was ich sehr schade finde, denn dort lernen wir Engagement. Kultur ist das, was eine Gesellschaft stark macht, wo sich Menschen begegnen, kennenlernen und erleben, was sie gemeinsam alles schaffen können. Besonders sozial schwache Familien können es sich nicht leisten, ihre Kinder in Vereine, Kurse oder Workshops zu schicken, was dazu führt, dass diese Kinder oft vernachlässigt werden und die meiste Zeit vor dem Fernseher oder Computer verbringen. Zur Erziehung gehört nicht nur die Familie, sondern die ganze Gesellschaft, und wenn wir uns nicht darum bemühen, als Gesellschaft und Staat ein Angebot zu schaffen, in dem unsere Jugend zusammenkommt und gefordert wird, haben wir bald ein von Hass und Angst geprägtes Volk, was eine sehr traurige Vorstellung wäre.

Nicht alles im Leben lauft nach Plan und ist erfolgreich. Erleben Sie auch in Ihrem sozialen Engagement Momente der Resignation?

Rückschläge und Enttäuschungen gehören zum sozialen Engagement dazu wie zu allen anderen Bereichen. Das Gute beim sozialen Engagement ist jedoch, dass man auf ganz besondere Weise immer trotzdem
stolz darauf sein kann, weil es dir immer die Gewissheit verleiht, ein guter Mensch zu sein, der sich durch Taten und nicht nur durch Worte auszeichnet, egal wie erfolgreich die jeweilige Aktion ausgefallen ist.

Verstehen Sie Menschen, die sich nicht sozial und ehrenamtlich engagieren und die soziale Verantwortung dem Staat überlassen?

Selbstverständlich habe ich Verständnis für Leute, die keine Lust haben, sich zu engagieren. Engagement ist keine Pflicht, sondern ein Privileg, das man nutzen kann, aber keineswegs muss. Ich bemitleide Menschen vielmehr, die sich selbst um die Erfahrung bringen, den „wahren Reichtum im Leben“, der einen lernen, wachsen und glücklicher sein lässt, zu erfahren. Das gilt für das öffentliche Engagement genauso wie für das private im Freundeskreis und der Familie.