Zu Hause bei Lon

Geistern und Prominenten dieser Welt begegnen Normalsterbliche eher selten. Wer allerdings im Hermosa Inn ein paar Urlaubstage verbringt, kann in dem luxuriösen Resort, nur einen Steinwurf von Scottsdale in Arizona entfernt, gleich auf beide treffen.

Hin und wieder spuken und ängstliches Personal verjagen soll hier mitten im Paradise Valley beispielsweise Alonzo „Lon“ Megargee. Prominent und berüchtigt war der Gründer des Hotels in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In einer Person vereinte er den Cowboy, Pokerspieler, Architekten, Maler und – dank zahlreicher Gattinnen – auch raubeinigen Frauenhelden

Lons größte Leidenschaft aber und die Urzelle des späteren Resorts war sein Studio. Eigenhändig hatte er es 1936 errichtet. Mit luftgetrockneten Lehmziegeln und gezimmert aus dem Holz einer stillgelegten Mine. Außen dekoriert mit einer Mixtur aus Öl und Asche. Inspiriert durch Adobe-Architektur, die er in Spanien und Mexiko studiert hatte. Stolz nannte Lon sein Eigenheim „Casa Hermosa“, das schöne Haus. Es wurde Ranch und Rückzugsort für ihn und seine Freunde und schon damals für zahlende Gäste.

Bald gingen zu Recht Gerüchte, dass es sich für Zocker und Spieler zum Paradies für nächtliche Pokerrunden mauserte. Drohte ein Besuch des Sheriffs, konnten Besucher ganz leicht durch einen Tunnel zu den Ställen entkommen – und unbehelligt in der Wüste verschwinden.

Aus Mangel an Geld – Scheidungen waren damals schon teuer – musste Lon 1941 sein Kleinod verkaufen. Die künftig wechselnden Besitzer tauften die Casa Hermosa schließlich um in das Hermosa Inn und entwickelten es weiter zu dem Ort, der er heute ist: Eine Oase mitten in der Wüste, die sich den Charme der Original-Hacienda von früher bewahrt hat und die künstlerische Ader ihres Gründers in vielen Details reflektiert.

Inzwischen wohnen die Gäste in 34 separaten und luxuriösen Casitas. Jede Unterkunft ist individuell eingerichtet. In warmen Farben, mit hohen Decken, Dachbalken und gemütlichen Holz- und Ledermöbeln. Je nach Größe verfügen einige der kleinen Häuser auch über Kamin, antike Badewanne, Veranda und persönlichen Zugang zum Whirlpool. Von fast überall genießt man den Blick auf den Sonnenuntergang. Vogelstimmen wecken den Gast am Morgen. Denn die Wunder der Wüste warten im Hermosa Inn gleich vor der Tür.

Gemütlich und rustikal ist auch das LON’s, ein kulinarischer Mittelpunkt und Restaurant, das zu den besten in Arizona zählt. Von hier blickt man auf das nahegelegene Camelback Gebirge mit seiner skurrilen Steinformation „Praying Monk“. Abgelenkt wird der Blick erst von der edlen amerikanischen Kochkunst, die Küchenchef James Ducas zelebriert.

Je nach Saison und Trend züchtet, erntet und wählt er dafür im hauseigenen Garten eine große Bandbreite an frischen Zutaten: Salat, Kürbis, Rucola, Basilikum, Koriander, Fenchel, Zwiebeln, Pfefferminze, Chili, Spinat, Erdbeeren, Lavendel, Tomaten oder Melonen – um nur ein paar zu nennen. In den Kochtopf kommen aber auch Produkte von lokalen Anbietern, rund 80 Prozent stammt aus Arizona. Spezielles Lammfleisch wird aus Sonoma in Kalifornien geliefert, Meeresfrüchte aus nachhaltiger Fischerei der Westküste.

Komplett sind die Menüs aber erst mit einem Wein aus dem mehrfach preisgekrönten Weinkeller, in dem rund 1.000 Flaschen auf ihre Entkorkung warten. Auf der Karte der direkt angeschlossenen Bar „Last Drop“ wiederum finden sich Drinks, die in ihrer Rezeptur zurückdatieren auf die Zeiten des „Old West“. Aber natürlich gibt es auch moderne Cocktails wie den Mesquite Sour, Buffalo Peach Smash, Bison Invigorator oder nicht alkoholische Mocktails.

Zu einem Spaziergang lädt das zweieinhalb Hektar große parkähnliche Areal rund um die Gebäude ein, das in seiner Eleganz an japanische Zen-Gärten erinnert. Hier blühen hundert Jahre alte Kakteen, Oliven- und Mesquitebäume, Palmen und Blumen. Zwischendrin stehen moderne Skulpturen und ein kleines Atelier, wo Malerei-Klassen genauso unterrichtet werden wie Gäste, die Privatunterricht suchen.

Oder man wählt eine Abkühlung im Pool und stille Momente in der Blue Door Spa Suite. Die Muskeln entspannen dort während klassischer Massage, Ashiatsu, Reflexzonen- und schwedische Streichmassage, Paar-Massage, Aromatherapy oder Anwendungen speziell für Sportler. Kein Wunder, dass schon John Wayne oder Clark Gable in dieser Idylle nach stressigen Drehtagen zur Ruhe kamen. Noch heute schätzen Berühmtheiten wie Kevin Costner, Steve Martin, Mitt Romney, Jayne Seymour oder Olivia Newton-John die Abgeschiedenheit und mieten sich in eine der Casitas ein.

Der National Trust for Historic Preservation hat das Hermosa Inn auf seine Liste der bewahrenswerten Orte gesetzt. Da es mit seiner langjährigen und bewegten Geschichte zum wichtigen Erbe in der Geschichte Arizonas zählt. Offensichtlich sehr wohl fühlen sich daher Gäste, die sich nicht wie die anderen korrekt am Empfang einschreiben. Geschweige denn bezahlen.

Zum Beispiel die Lady in Pink, die mehrere Gäste unabhängig voneinander gesehen haben wollen. Wie sie morgens und am späten Abend über die Brücke im Garten lustwandelte. Gehüllt in ein langes Kleid, definitiv nicht aus dieser Zeit. Mitarbeiter weigern sich nachts allein zu arbeiten oder kündigen. Weil Gegenstände wie Kerzenhalter oder Werkzeuge plötzlich verschwinden, Cowboys mit Hut im Spiegel erscheinen, Türen sich von alleine schließen oder das Licht unvermittelt an- und ausgeht.

Wer da an Profanes wie fehlenden Strom denkt, schaut auf die Liste der unheimlichen Begegnungen, die das Hermosa Inn sammelt und halb Spaß, halb Ernst auch für spezielle Geistertouren nutzt. Die Liste ist lang und um eine weitere Anekdote in den Annalen des Hotels bereichert hat sie zu allem Überfluss der Autor dieser Zeilen. Ohne vorher von den wunderlichen Heimsuchungen gewusst zu haben, begegnete er einem Wächter, der ihn erst vom Pool aus und ein weiteres Mal sehr eindringlich von der gegenüberliegenden Casita beobachtete. Wo der Mann in Nummer 107 von innen die Terrassentüren fest verschloss.

Kaum bemerkenswert? Das Hotel setzt natürlich auf Kameras statt auf Wachpersonal. Und die Casita war zu diesem Zeitpunkt nicht belegt. Dem alten Lon sah der vermeintliche Geist leider nicht ähnlich. Sonst wäre auch ein Drink fällig gewesen – für entspannte Tage in seinem schönen Haus.