Wenn der Pestarzt kommt

Agentur Reuter

Aus heiterem Himmel erhielt Schauspieler Thorsten Nindel 2014 die tödliche Diagnose – Lungenkrebs. Ein Gespräch mit ihm über eine Ärzte-Odyssee, die heilsame Therapie und gruselige Alpträume in der Nacht.

Was waren bei Ihnen die ersten Anzeichen für eine Erkrankung?

Ich joggte während einer Theatertournee mit einem Kollegen und bekam plötzlich nach zwei Kilometern keine Luft mehr. Dabei bin ich eigentlich ein gut trainierter Läufer. Selbst das Reden brachte mich außer Atem. Meine Freundin sagte mir, dass ich letzter Zeit so komisch huste.

Welche Ärzte haben Sie dann aufgesucht?

Ich glaube, ich war bei fünf verschiedenen Internisten. Was das betrifft, bin ich eher ein nervöser Mensch. Außerdem beim Pneumologen, beim Kardiologen und irgendwann beim Radiologen. Lange Zeit hatte niemand etwas feststellen können. Sogar bei meinen jährlichen Checkups hatte es ja immer geheißen, dass ich super Werte habe.

Und was war dann die Diagnose?

Ich hatte ein kleinzelliges Karzinom. Das ist – einfach gesagt – extrem schnell, link und gefährlich. Bei mir war es aber schon vier Zentimeter groß. Es lag irgendwo zentral im Blutgefäß, das den linken Lungenflügel versorgt. Da mein rechter Lungenflügel aber so groß war, bemerkte niemand, dass der linke nicht mehr mitmachte. Dieser Krebs lässt sich über das Blutbild nicht feststellen.

Wie haben Sie reagiert?

Da war Polen offen, wie mein Großvater gesagt hätte. Es geht auch ins Anekdotische. Ich habe mich gefragt, ob meine Tochter unsere Immobilie als Absicherung halten kann. Aber ich stellte fest, dass sie finanziell ganz gut ohne mich leben kann. Auch wenn sie mich natürlich vermissen würde. Wie grausam ist das für einen jüngeren Menschen, der kleine Kinder und damit Verantwortung hat? Irgendwann realisierte ich: Ok, Du könntest jetzt sterben. Nur, ich hatte keine Lust zu sterben.

Sind Sie nicht in ein tiefes Loch gefallen?

Ich bin irgendwann auf einen Chirurgen getroffen, der mir den Lungenflügel entfernen wollte, obwohl die Diagnostik noch gar nicht richtig abgeschlossen war. Da bin ich dann zusammengebrochen. Von dem habe ich nächtelang geträumt, wie er als Pestarzt mit Vogelmaske durch meine Wohnung lief.

Da es aber keine Metastasen gab, wurde ich über mehrere Monate mit Bestrahlung und Chemotherapie behandelt. Das ist wirklich nicht angenehm. Ich nahm wegen des Kortisons auch an Gewicht zu. Aber besser, als den Lungenflügel zu verlieren.

Irgendwann haben Sie dann die positive Nachricht bekommen?

Ja, der Krebs ist verschwunden und ich bin absolut dankbar – der Medizin und einigen wunderbaren Ärzten. Ich bin wieder gesund und wieder belastbar wie früher. Mit der Sucht ist es jetzt vorbei. Ich war ja ein aktiver Raucher.

Haben Sie ein Fass aufgemacht?

Ich werde dann eher ruhig. Das bin ich sonst ja nicht. Kommt’s hart auf hart, reagiere ich wie eine Katze und roll mich ein.

Auch aus großen Krisen soll man angeblich gestärkt hervorgehen. War das bei Ihnen auch so?

Ich habe in dieser Zeit ja noch weiter gelebt und nicht nur gelitten. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich noch nicht so weit bin. Ich hätte mich allerdings auch vom Gegenteil überzeugen lassen. Man hat es einfach nicht in der Hand.

Die Natur ist schon ein bisschen schöner. Aber ich ärgere mich noch immer über Tausend Dinge. Ich war schon immer ein professioneller Nörgler. Meine Agentin hasst mich dafür. (lacht)