Das kleine Schwarze

Lufthansa

Elrey Borge Jeppesen gilt als Vater der aeronautischen Kartografie. Er revolutionierte die Flugnavigation mit Daten, die er in einem legendären Notizbuch sammelte. Mit seiner einmaligen Dienstleistung schuf er später ein weltweit erfolgreiches Unternehmen. In diesem Jahr wäre der Flugpionier 100 Jahre alt geworden

Es waren vier junge Piloten, die im Winter 1930 über dem amerikanischen Bundesstaat Utah unglücklich abstürzten. Mit ihrem Tod fand Elrey Borge Jeppesen seine Mission für die Geschichte. Wie er waren sie als Luftpostpiloten die Strecke von Salt Lake City nach Cheyenne/Wyoming in einer Boeing 4O B geflogen. Immer mit hohem Risiko: Die Route galt als eine der gefährlichsten der USA und mit 50 Dollar pro Woche und 14 Cents die Meile gleichzeitig als eine der teuersten. Bei miserablem Wetter und in unbekanntem Terrain hatten die Piloten die Orientierung verloren.

„Ein teuer bezahlter Preis für Pionierarbeit“, so Jeppesen. „Das war der Moment, als ich klug wurde. Ich erfand etwas, das mich davor rettete, getötet zu werden.“ Ab sofort zeichnete Jeppesen in seinem Notizbuch minutiös Karten mit aus der Luft sichtbaren Landmarken. Schrieb metergenau Längen von Feldern, Abhängen, Entwässerungskanälen auf. Mit einem Höhenmesser bestieg Captain „Jepp“ in seiner Freizeit Hügel, Schornsteine und Wassertürme.

Er vermerkte besondere Lichtquellen und bedrohliche Barrieren. Notierte wichtige Details zu einzelnen Landebahnen. Selbst Telefonnummern von Farmern, die einen Wetterbericht liefern konnten, fanden Platz im „Little Black Book“. „Ich fuhr die gesamte Route von Chicago nach Oakland und überprüfte Notlandeplätze und die Hindernisse in ihrer Umgebung, unterschiedliche Wege, wie man hinkam, wie weit sie von der Eisenbahnlinie und von der Landstraße entfernt waren“, berichtete Jeppesen einem Journalisten von den Anfängen seiner aeroanautischen Kartographie. Sie sollte die Geschichte der Luftfahrt prägen.

Die praktische Navigationshilfe des damals 23-Jährigen sprach sich herum wie ein Lauffeuer. Zuerst reichte er nur Kopien des lebensrettenden Datenschatzes an Freunde weiter. Bald jedoch war die Nachfrage so groß, dass er eine Vermarktungschance sah. Fortan verkaufte er seine Notizen, die ursprünglich nur zum Überleben gedacht waren, in Kopie für zehn Dollar. Der „Jeppesen Airway Manual“ wurde ein solcher Bestseller, dass viele Piloten ihre Routen in Eigenregie dokumentierten und Jeppesen für die stetig wachsende Datenkollektion zur Verfügung stellten.

Ihre Dankesbriefe erfüllten ihn mit stolz. Mehr als ehrenvolle Auszeichnungen wie Mitglied der National Aviation Hall of Fame (1990) oder der Award NBAA Meritorious Service of Aviation. In den Briefen konnte er Sätze lesen wie: „Jepp, du hast mein Leben gerettet, mein Fliegen sicherer und einfacher gemacht und mir viel Selbstsicherheit in diesen dunklen, stürmischen Nächten gegeben.“

Viele Piloten nutzten damals noch die Rand-McNally-Straßenkarten zur Orientierung oder folgten den Strecken der Eisenbahnlinie. „Hugging the UP“, die Eisenbahngesellschaft Union Pacific umarmen, nannten sie das scherzhaft. Wurde das Wetter zu schlecht, mussten sie mit ihrer Maschine für einen Zwischenstopp notlanden. Harrten allein in der Wildnis aus in Begleitung von einem Sack Post. Alte Haudegen der Lüfte nannten den jungen Jeppesen daher einen naiven Träumer, weil er es sich partout in den Kopf gesetzt hatte, auch bei verheerenden Wetterverhältnissen sicher fliegen zu können.

Bereits in den späten 30er-Jahren jedoch erwarb die Fluggesellschaft United Airlines seine Pläne. Im Zweiten Weltkrieg nutzte die US-Armee die „Jepp Charts“ als Standardflughandbuch, im Anschluss zahlreiche zivile Fluglinien. Wegen dieses überwältigenden Erfolgs hängte Jeppesen in den 50ern seinen Beruf als Flieger an den Nagel.

Und gab damit eine alte Leidenschaft auf: Schon als 14- Jähriger war er zum ersten Mal in Vancouver in einer Curtiss JN-4 „Jenny“ geflogen. „Es war magisch für mich. Ich fühlte mich wie ein Vogel, als Teil des Flugzeugs. Die Jenny gewann mein Herz“, so Jeppesen zu einem Reporter der „Aviation News“. Mit dem Austragen von Zeitungen und als Aushilfe in einem Lebensmittelgeschäft in Hood River, Oregon, hatte er bis zu seinem letzten Highschool-Jahr 500 Dollar für eine eigene „Jenny“ gespart. Später kaufte er sich eine Alexander Eaglerock. Er war als Wanderschauspieler für Tex Rankin’s Flying Circus geflogen und hatte für Fairchild Aerial Surveys das Mississipidelta und den mexikanischen Dschungel fotografiert – am Steuer einer Havilland DH-4.

Aber 1954, als er bereits ein erfahrener Postflieger war, setzte er seine Karriere lieber am Boden fort. Wechselte endgültig vom Kapitän zum Kartenproduzenten. Zusammen mit seiner Frau Nadine, eine der ersten Stewardessen der Luftfahrt, zog er von Salt Lake City nach Denver und konzentrierte sich voll auf den kommerziellen Verkauf und die Weiterentwicklung seines „Jeppesen Airway Manual“. Jedes Dokument, das die Produktion im Verkauf verließ, überprüfte und zeichnete Jeppesen persönlich ab.

Angestellte Studenten halfen bei den technischen Zeichnungen. So entwickelte er Blatt um Blatt und Buch für Buch seine Firma zum damals weltweit führenden Kartografen für zivile, kommerzielle und private Luftfahrt. Darüber hinaus entdeckte der Luftfahrtrevolutionär als weiteres Geschäftsfeld die Vorteile des Radios und nutzte dessen Technologie für eine verbesserte Navigation. Er begann Verfahren zu entwickeln, die, gespeist mit den Informationen, die er an Flughäfen gesammelt hatte, Piloten ihre Landeanflüge erleichtern sollten.

1961 verkaufte er sein Unternehmen an die Times Mirror Publishing Company of Los Angeles, blieb jedoch bis 1988 als Vorstandsmitglied an Bord. Heute ist das Unternehmen Jeppesen eine erfolgreiche Tochterfirma der Boeing Commercial Aviation Services mit Büros in den USA, Großbritannien, Deutschland, Australien, China und Russland.

In Erinnerung an die alten Zeiten schrieb Jeppesen 1984: „Manchmal, wenn ich auf unserer Veranda stehe und sehe, wie die Sonne hinter den Rockies versinkt, wandern meine Gedanken zurück zu den alten Tagen der Luftpost, und ich denke an diese großartigen Kerle, die die Post durch jede Art von Wetter manövrierten. Was für großartige Tage.“

Am Denver International Airport erinnert eine mannshohe, im Jahr 1995 enthüllte Statue an die Pioniertaten von Elrey Borge Jeppesen. Er starb mit 89 Jahren am 26. November 1996 in seinem Haus in Colorado.

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