Die Aufklärung in den Zeiten des Unwohlseins

@ oliver reetz

Journalisten suchen und setzen Themen. Vanessa Blumhagen macht das als Society-Expertin quotenstark für das Frühstücksfernsehen von SAT1 und pickt sich dabei mit viel Freude die Prominenten raus. Hin und wieder suchen Themen aber auch die Journalisten heim. Blumhagen ist das privat passiert. Ihre Krankheit Hashimoto brachte ihr erst viel Leid, dann Wut und danach den Ehrgeiz, andere Menschen aufzuklären.

Es dauerte sehr lange, bis Sie wussten, dass Sie an Hashimoto leiden. Können Sie den Moment beschreiben, als Sie merkten, dass etwas nicht in Ordnung ist?

Es ging im Herbst 2008 los. Alles war schön in meinem Leben. Toller Job. Neues Auto. Ich war mit meinem damaligen Mann in Hamburg glücklich. Allerdings merkte ich: Irgendetwas stimmt nicht. Ich erkläre das anderen immer mit dem Gefühl, wenn man morgens aufwacht und merkt, dass man eine Erkältung kriegt, sich aber noch keine Symptome zeigen.

Ich war wahnsinnig müde. Ich hatte sehr zugenommen, was beim Fernsehen eher kontraproduktiv ist. Dennoch half es nicht, wie sonst Sport zu machen und weniger zu essen. Es kamen Verdauungsprobleme hinzu. Mir fielen die Haare aus. Die Haut veränderte sich. Die Regel blieb aus. Irgendwann waren sogar meine Hände und Füße gelähmt. Ich stand an der grünen Ampel und spürte meinen rechten Fuß nicht mehr.

Dieser Zustand dauerte drei Jahre, in denen es mir richtig schlecht ging. Ich habe nur noch gearbeitet und mich privat zu Hause vergraben. Da ich keine Diagnose hatte, konnte ich auch von keiner Krankheit berichten.

Was sagten die Ärzte?

Sie diagnostizierten Gehirntumor, Rheuma oder Borreliose. Was alles widerlegt wurde. Viele dachten, ich spinne. Sie verschrieben Psychopharmaka, damit es mir besser geht. Die Rezepte habe ich vor deren Augen zerrissen und gesagt: „Heilt meinen Körper, dann geht’s auch meiner Psyche gut.“ Nicht selten bin ich aus diversen Praxen geflogen. Nur mein Hausarzt hat mir geglaubt.

Wie haben Sie dann die richtige Diagnose bekommen?

2011 telefonierte ich an einem Freitagnachmittag mit einem Freund, der von einer Bekannten mit denselben Symptomen berichtete. Sie leide an einer Autoimmunerkrankung, deren Namen er nicht kenne. Ich googelte, las die Internetseiten zu Hashimoto und stellte fest: Das bin ich! Gleich am Montag ging ich zu meinem Hausarzt.

Der guckte in seine Blutwerte, die man drei Jahre lang zurückverfolgen konnte, und meinte: „Mist, das hätten wir sehen können.“ Ein Kollege von ihm sagte dann nach dem Ultraschall, dass meine Schilddrüse aber super aussehe – ich fiel erneut in ein tiefes Loch.

Zwei Wochen später erklärte mir eine Internistin jedoch aufgrund der Bilder, dass mein Immunsystem die Schilddrüse schon so gut wie zerstört hätte. Da hatte ich die Diagnose.

Wie geht es Ihnen heute?

Ich kenne meinen Körper inzwischen ganz gut und weiß die Signale zu deuten. Der Körper ist wegen Hashimoto in einigen Jahren in einen schlechten Zustand geraten. Diese Zeit sollte man ihm geduldig geben, damit er sich wieder erholen kann.

Irgendwann haben Sie sich dann entschieden, zu diesem Thema aufzuklären. Sie haben inzwischen erfolgreich zwei Bücher dazu und die Facebook-Seite „Hashimoto Deutschland“ veröffentlicht.

Ich habe mir für Tausende Euro sogar Literatur aus den USA schicken lassen. Einige Ärzte empfehlen ihren Patienten zu Beginn der Behandlung sogar die Bücher von der Blumhagen, damit sie erst mal verstehen, was mit ihrem Körper passiert. Mit dem neuen Wissen können sie adäquat mit ihrem Arzt reden, um endlich richtig behandelt zu werden. Ich bin aber auch von Medizinern angegriffen worden.

Erkrankungen der Schilddrüse sind sehr komplex. Haben Sie hier kein Verständnis für Ärzte?

Nein, gerade weil die Diagnose so einfach zu stellen ist und den Betroffenen so leicht geholfen werden kann. Ich bin inzwischen eine Art Kummerkasten für meine Umgebung. Bekannte schicken mir dann ihre Blutwerte sogar über Whatsapp. Ich lese die, höre, was die Ärzte sagen und denke, das kann doch nicht wahr sein. Einige Mediziner scheinen nach meiner Erfahrung auf dem Stand der 70er Jahre stehen geblieben.

Was würden Sie ganz allgemein Erkrankten raten, die nicht zu Ihrem persönlichen Kummerkasten gehören?

Jeder muss seine eigenen Baustellen aufdecken und die individuellen Probleme herausfinden. Generell ist bei allen Autoimmunerkrankungen wichtig: Entgiften, entgiften, entgiften. Es gibt einen immensen Anstieg der Betroffenen, weil wir alle täglich mit so vielen Umweltgiften konfrontiert werden. Man kann Hashimoto nicht heilen, aber seinen Verlauf aufhalten. Dann wird die Erkrankung nicht schlimmer oder öffnet womöglich Tür und Tor für andere Autoimmunerkrankungen. Der Körper ist wegen Hashimoto ständig unter Stress und braucht mehr Nährstoffe als ein gesunder. Man muss also regelmäßig zum Arzt gehen und die Werte abfragen. Viele haben Probleme mit dem Darm, wo unser Immunsystem sitzt. Erschöpfte Nebennieren können auch für vermehrte Müdigkeit verantwortlich sein, nicht nur die niedrigen Schilddrüsenwerte.

Welche schöne Lehre ziehen Sie aus den unschönen Erlebnissen mit dieser chronischen Krankheit, die Sie nicht mehr verlässt?

Man muss die Gesundheit und das Wohlbefinden in die eigene Hand nehmen. Es kommt keine Pille von außen und danach ist alles gut. Hilfreich ist, mehr Ehrfurcht vor dem Wunderwerk Körper zu zeigen, der uns trotz Krankheit tagtäglich durch dieses Leben trägt. Selbst wenn es uns mal nicht so toll geht, funktioniert immer noch. Man sollte manchmal dankbarer sein. Dann ist vieles einfacher.